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Tatort - Geburtstagskind - Delia Mayer (Liz Ritschard), Stefan Gubser (Reto Flücker) / © ORF/ARD/Daniel Winkler

Interview mit Schauspieler Axel Milberg
zur Tatort-Folge "Borowski und das Mädchen im Moor"

"Das Mädchen im Moor", das hier ums Leben kommt, besuchte ein Mädchen-Internat. Haben Sie selbst Internats-Erfahrungen?

Als Teenager wollte ich wahnsinnig gerne aufs Internat, war aber leider nicht schlecht genug in der Schule.

Wie entstand die Idee zu diesem "Tatort"?

Wir haben vor drei Jahren den "Tatort" mit dem Titel "Borowski in der Unterwelt" ebenfalls in der Konstellation Arango, Garde, Milberg gedreht. Wir sprachen damals darüber, was Schleswig-Holstein neben den Küsten unverwechselbar macht. Dabei kamen wir auf die Herrenhäuser und prächtigen Landsitze, die Schlösser und Alleen. Auf diesem Weg kamen wir zum Mädchen-Internat und zum Spielfilm-Klassiker "Picknick am Valentinstag" über das mysteriöse Verschwinden einiger Internatsschülerinnen. Das war die Geburtsstunde dieses "Tatorts". Und ich stellte mir vor, dass Borowski nachts ein Tier anfahren könnte und der Blutspur dieses verletzten Tieres in den Wald folgt.

Was macht die Welt eines Mädchen-Internats so reizvoll für einen Krimi?

Natürlich sind junge Mädchen besonders gefährdet. Wenn man sie dann in größerer Anzahl an einem Ort versammelt hat, der zudem von Mooren und Wäldern umgeben ist, werden einem brillanten Autoren wie Sascha Arango schon einige Geschichten dazu einfallen. In der Tat verfolgt die Kripo mehrere Spuren, nach dem das Mädchen Belinda verschwunden ist ...

... während der Zuschauer den Täter von Anfang an kennt.

Ja, dieser "Tatort" ist kein klassischer "whodunnit", sondern ein Spiel zwischen Kommissar und Täter über mehrere Stationen, bis Borowski es irgendwann weiß – aber trotzdem noch eine Zeitlang mit dem Täter im Gespräch bleibt.

Fanden Sie diese Konstellation von vornherein reizvoll?

Dieses Drehbuch war so gut geschrieben, dass ich schon bei der ersten Fassung darum bat, um Gottes Willen nicht mehr daran zu rühren. Man hätte kein Element herauslösen dürfen. Wie Borowski und der Täter sich kennen lernen, das ist hier einfach spannend erzählt – und das ist für mich das wichtigste Kriterium bei einem Krimi. Dazu noch die poetische Ebene: ein Wolf, der dem Kommissar auf die Sprünge hilft – das ist alles sehr nach meinem Geschmack.

Der Zufall will es, dass ausgerechnet der Täter Ihnen als Kommissar eine Mitfahrgelegenheit zum Internat gibt – und sich fast eine Freundschaft entwickelt. Rückt damit die Aufklärung des Falls in weite Ferne?

Hinten im Auto liegt sogar noch die Leiche, in einer Skibox aus dem Kaufhaus. Freundschaft kann das Naheliegende verbergen und hier schläfert sie Borowskis Instinkt, den er sonst hat, ein wenig ein. Die Tragödie besteht hier eben gerade darin, dass dieser liebenswerte, fast schüchterne Täter am Ende seiner Kräfte ist – als Mann, Ehemann und Vater. Er verliert die Nerven, weil er seinen Herzensdamen nicht das Leben finanzieren kann, das sie leben wollen und wie es andere Internatsschülerinnen offenbar leben. Das führt ihn in einen furchtbaren Blutrausch.

Es prägt diesen Film sehr stark, wie Sie mit dem Täter Klaus Raven umgehen. Wie verändert sich dieses Verhältnis?

Ich fand es wichtig, Borowski zunächst völlig ahnungslos zu lassen, was Raven betrifft. Für Borowski ist er ein netter Kerl, hilfsbereit, hat seine Tochter in dem Internat. Später, im Büro des Kaufhaus-Detektivs, umgeben von den Monitoren der Überwachungskameras, testet Borowski eher spielerisch an, ob Raven in den Fall verwickelt ist. Ernsthaft wird es erst, als ihm klar wird, dass im Kaufhaus eine Skibox fehlt. Da fügen sich die Spuren zu einem Bild zusammen.

Der bekannteste TV-Kommissar, bei dem der Täter von Anfang an bekannt war, heißt Columbo. Hatten Sie Columbo beim Drehen im Hinterkopf?

Ich habe tatsächlich nicht an Columbo gedacht, weil ich dieses Drehbuch an sich schon so gelungen und stimmig fand. Ich musste dabei sehr darauf achten, in welchem Stadium der Beziehung zum Täter Borowski sich gerade befindet. Dafür brauchte ich keinen Columbo.

Sie lassen Borowski gegen alle Widerstände im Kommissariat seinen Weg verfolgen. Ist Borowski im klassischen Sinne ein Spürhund? Ein Ermittler, der sich voll und ganz auf seine Intuition verlässt?

Zunächst glaubt Borowski gar nicht an einen Mord, er geht ziemlich widerwillig an diesen Fall heran. Später verdichtet sich seine Gewissheit, dass es keine Entführung sein kann. Seine Erfahrung hilft ihm jetzt, die Spuren richtig einzuordnen. Im echten Polizeialltag läuft es anders. Da bilden sich heutzutage sehr schnell Teams. Nach dem Mord an einem Mädchen wird in wenigen Stunden eine 30-köpfige Sonderkommission zusammengestellt. Unsere Geschichte konzentriert sich auf wenige Personen. Und Borowski ist ein Mann, der kein Wort zu viel sagt, der seine Arbeit nicht durch ständiges Gerede stören will.

Spüren Sie eine innere Nähe zu dieser intuitiven Lebensform? Entscheiden Sie auch meist aus dem Bauch – oder gerade nicht?

Intuition hat immer eine große Rolle in meinem Leben gespielt. Ich habe oft darauf gehört. Bei manchen Projekten – zugegeben sehr selten – glaubte ich schon, ich läge daneben und fing z. B. an, mich am ersten Drehtag darüber zu ärgern, mit den falschen Leuten am falschen Ort zu sein. Plötzlich am zweiten Tag war alles großartig und meine Intuition hatte sich bestätigt. Sie muss eben ständig gefüttert werden. Man darf sich nicht faul zurücklehnen und selbstgefällig glauben, die Intuition wird’s schon richten. Man muss schon wach und in Bewegung bleiben und genau zuhören. Der Instinkt ist ein hungriges Lebewesen, das gefüttert werden will.

Einmal legen Sie eine komische Zwischenepisode hin, Borowskis Kampf mit der modernen Autotechnik könnte man sie nennen. Wie gut kennen Sie persönlich sich mit Autotechnik aus?

Von Autos und Motoren habe ich keine Ahnung. Im Bereich der mechanischen Reparaturen bekomme ich es jedoch einigermaßen hin. Wenn es schwieriger wird, übergebe ich den Fall lieber einem Fachmann. Je mehr Hightech ein Auto enthält, desto anfälliger wird es, denke ich. Ein beheizbares Lenkrad lasse ich durchgehen, aber eine variable Kniekehlenpolsterung ist zu viel des Guten.

Sie sind gebürtiger Kieler, leben aber seit langer Zeit in München. Hat Ihre Rolle als Borowski Sie der Stadt Kiel und dem Norden wieder näher gebracht?

Zuerst hatte ich ständig das Kiel meiner Kindheit vor dem inneren Auge – dieses Thema habe ich jetzt ausreichend durchdekliniert. Ich habe noch einmal den 18-jährigen Axel Milberg in mir gespürt, der in die Welt hinauszog, um seinen Traum zu verwirklichen, Schauspieler zu werden. Die Film- und Theaterszene war von Kiel sehr weit weg. Jetzt, nach zehn Tatorten, habe ich allen Freunden von damals die Hand geschüttelt, habe neue Freunde dazugewonnen und hatte viel Freude bei der Reihe "Milbergs Reisen", die mich durch den Norden geführt hat.

Ihr neuer "Tatort" hat ein ziemlich brutales Finale ...

... ja, der Täter ist voller Zorn darüber, dass seine Frau ihm seinen Mord im Grunde eingebrockt hat, mit ihrer Gier, die Tochter unbedingt zur besseren Gesellschaft gehören zu lassen.

Sie haben mal gesagt, dass Ihre Kinder eigentlich alles im Fernsehen sehen dürfen, dass Sie auf Selbstkontrolle setzen. Gilt das denn auch für diesen "Tatort"?

Unser kleinster, vierjähriger Sohn bekommt schon bei den "Teletubbies" eine Gänsehaut. Ihm ist es schon zu grausam, wenn im Zeichentrickfilm ein Vögelchen aus dem Nest fällt. Wir Eltern sind natürlich immer dabei. Was unsere 17- und 18-jährigen Söhne betrifft, kann man nicht alle Ritzen der medialen Zugänge verstopfen. Irgendwann waren sie wie viele ihre Altersgenossen sehr an den Filmen interessiert, die erst für 18-Jährige erlaubt sind. Das sehen sie mittlerweile schon etwas lässiger. Eltern, die alles verbieten, vergrößern nur die Sehnsucht der Kinder nach diesen Filmen oder Spielen.

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