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Tatort - Geburtstagskind - Delia Mayer (Liz Ritschard), Stefan Gubser (Reto Flücker) / © ORF/ARD/Daniel Winkler

Interview mit Drehbuchautor Daniel Nocke
zur Tatort-Folge "Borowski und der brennende Mann"
"Die Feindseligkeiten richteten sich vor allem gegen die Flüchtlinge aus den Ostgebieten"

Wie recherchiert man eine Geschichte über die dänische Minderheit?

Dadurch, dass ich regelmäßig in Schleswig bin, war der Zugang für mich ziemlich leicht. Ich wusste, wen ich ansprechen musste, und meine Mutter, die dort lebt, hat mir auch ein paar Kontakte vermittelt. Die dänische Schule im Film ist auch die Schule, wo wir regelmäßig Fußball spielen. Und die Dänen sind freundliche Men­schen. Die verjagen einen nicht von ihrem Fußballplatz. Es ist eher so, dass man in Kontakt kommt.

Die dänische Minderheit rückt nur bei Wahlen in Schleswig-Holstein ins Bewusstsein, weil ihre politische Interessenvertretung, der Südschleswigsche Wählerverband, nicht der 5-Prozent-Hürde unterliegt. Ansonsten aber hört man kaum etwas von ihnen.

Ja, die Südschleswiger, wie sich die Mitglieder der däni­schen Minderheit nennen, sind bundesweit über die Wah­len und in Schleswig­-Holstein selbst über ihre Schulen, aber auch über Feste und Umzüge – vor allem im Som­mer – präsent. Ich habe als Kind viel Zeit in Schleswig­-Holstein verbracht, und beim Fußballspielen wusste man nie, ob die anderen zur dänischen Minderheit gehörten. Das wurde nicht gefragt und es hat auch nicht inte­ressiert. Und mit Akzent sprechen die Südschleswiger auch nicht.

Das hört sich nicht an, als ob es Probleme innerhalb der schleswigschen Bevölkerung gäbe.

Gibt es auch wenig. Auch damals nach dem Krieg richteten sich die Feindseligkeiten vor allem gegen die Fluüchtlinge aus den Ostgebieten. Einige Deutsche hatten sich sogar den Bestrebungen angeschlossen, dänisch zu werden, weil sie hofften, so die Flüchtlinge loswerden zu können. Die Fremdenfeindlichkeit richtete sich gegen Deutsche, also die eigenen Leute. In der Hoffnung, sie loszuwerden, schloss man sich einer Minderheit an. Mit Nationalität hat das überhaupt nichts zu tun. Das finde ich hochinteressant und einzigartig.

Wie geht man mit Schuld um, wenn diese Schuld doch zu etwas geführt hat, was alle wollten: Frieden? Muss man Schuld nicht sühnen, egal, wie hoch die Kosten sind?

Die Frage, ob der Brandermittler Luth richtig handelte, als er entschied, dass eine Tat von Kindern nicht an die Öffentlichkeit gezerrt werden muss, wenn man dadurch den gerade erst hergestellten Frieden in Schleswig­-Holstein erhält, ist natürlich interessant. Ich kann sie nicht beantworten. Das überlasse ich gut ausgebildeten Moralphilosophen.

Wie war die Abstimmung über den Stoff mit dem Regisseur Lars Kraume?

In diesem Fall war es so, dass Lars und ich uns ein, zwei Wochen jeden Tag acht Stunden lang zusammengesetzt hatten, um über Vorstellungen und Ideen für die Geschich­te zu sprechen und zu diskutieren. Von Axel Milberg kamen auch Ideen, die wir dann mit einbezogen haben.

Unter welchen Maßgaben wurde die Figur der Polizistin Frau Einigsen entwickelt, die ja einen Kontrast zu Sarah Brandt darstellt?

Wir wollten für die Geschichte auch eine Figur aus der dänischen Minderheit dabei haben. Da hatten wir ver­schiedene Ansätze und haben uns dann in Absprache mit der Redaktion für ein junges Mitglied dieser Gruppe entschieden. Wir hielten es für eine gute Idee, eine junge, positiv gestimmte, vor Energie sprudelnde Person zu nehmen, um die dänische Minderheit zu repräsentieren.

Als Drehbuchautor sind Sie insbesondere mit Ihren intensiven Drehbüchern bekannt geworden, die sich mal ernster, mal humoriger mit den Beziehungen zwischen zwei und mehr Menschen auseinandersetzen. Wie passt da eine Krimigeschichte – und es ist ja nicht Ihr erster "Tatort" – in Ihre Entwicklung als Autor?

Die drei "Tatort"-Folgen, die ich bisher geschrieben habe, sind komplett anders entwickelt worden als etwa die Filme mit Stefan Krohmer. Insbesondere die beiden letz­ten "Tatort"-Folgen sind sehr intensiv mit den Regisseuren zusammen entstanden. Das ist eine ganz andere Art der Arbeit, da ich mich hier sehr stark daran orientiere, was den Regisseur interessiert und es nicht nur darum geht, was ich mir für mich während des Schreibprozesses überlege. Darüber hinaus tut es natürlich ganz gut, den Arbeitsablauf mal zu verändern.

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