Tatort Fanpage
Infos zu den Folgen, Ermittlern & Schauspielern uvm. der beliebtesten Kriminalreihe im TV

Tatort - Geburtstagskind - Delia Mayer (Liz Ritschard), Stefan Gubser (Reto Flücker) / © ORF/ARD/Daniel Winkler

Interview mit Schauspieler Thomas Kügel
zur Tatort-Folge "Borowski und der brennende Mann"
"Das angezündete Haus ist ein traumatisches Kindheitserlebnis für Schladitz"

Eigentlich hatte man immer den Eindruck, Roland Schladitz und Borowski seien gute Freunde, aber jetzt zieht Schladitz Borowski nicht ins Vertrauen. Ist das ein Männerding, seine Sorgen nicht zu teilen, oder ist die Freundschaft doch nicht so tief?

Die Freundschaft zwischen den beiden ist gewachsen und auch belastungsfähig. Allerdings ist sie nicht immer konfliktfrei, weil in ihr private und berufliche Aspekte immer wieder miteinander vermischt werden. Eine Freundschaft muss auch Erschütterungen aushalten. Außerdem können sich die beiden Figuren so reiben, wodurch ihre Beziehung für die Zuschauer immer in­teressant bleibt. Das angezündete Haus ist ein trauma­tisches Kindheitserlebnis für Schladitz. Später hat er als Kommissar zwar in dieser Sache ermittelt, ist aber nur auf Granit gestoßen, was dazu führte, dass er es erfolg­reich verdrängen konnte. Jetzt plötzlich taucht alles wieder auf und er ist mit einer Geschichte konfrontiert, die er selber nicht aufgearbeitet hat. Da spielen Scham und Schuld eine große Rolle. Außerdem ist Borowski auch gleichzeitig sein Untergebener. Bevor er damit zu ihm gehen kann, muss Schladitz erst einmal alles für sich ordnen.

Vorgesetzte müssen sich eigentlich nicht erklären. Dennoch muss man ihnen vertrauen können. Was ist Ihrer Ansicht nach der Unterschied im Vertrauen zu Vorgesetzten bzw. in Untergebene? Wer hat da welche "Bring-Schuld"?

Schladitz hatte ja schon einmal vergeblich in dieser Sache ermittelt. Das möchte er im zweiten Anlauf vermeiden. Aber die Hilfe seines Freundes möchte er aus genannten Gründen auch nicht in Anspruch nehmen. Deswegen nimmt er Sarah Brandt mit. Beruflich gesehen ist das ein klarer Vertrauensbruch. Da hätte er Borowski schon was sagen müssen. Dadurch, dass sich die Ebenen Beruf und Privates hier vermischen, wird es komplexer und schwieriger. Aber das macht ja auch den Reiz der Bezie­hung aus. Aber es ist ja selten so, dass Schladitz Borowski nichts erzählt. In der Regel ist es umgekehrt, und Schladitz muss es dann ausbaden.

Der Fall hat seinen Ursprung in einer Katastrophe, die Kinder verursacht haben. Kinder können aber
die Folgen von Handlungen nicht so abschätzen wie Erwachsene. Wie schwer wiegt da die Schuld?

Juristisch gesehen besteht natürlich verminderte Schuldfähigkeit. Kinder orientieren sich an dem Vorbild der Erwachsenen. Die Flüchtlingsfamilie aus Pommern wollte nicht Teil der dörflichen Gemeinschaft sein, aber die deutsche Mehrheit wollte sie auch nicht integrieren. Die Kinder wollten der Familie einen Denkzettel verpas­sen, weil sie dachten, das sei im Sinne der Erwachsenen, die immer über die Flüchtlingsfamilie geschimpft hatten. Und Kinder können manchmal brutaler sein als Erwach­sene, weil sie die Folgen nicht einschätzen können. Haneke hat das sehr eindrucksvoll in "Das weiße Band" geschildert, und auch andere Filme, wie der sowjetische "Die Kommissarin", nehmen das Thema auf. Das macht die Klärung der Schuldfrage aber nicht einfacher. Denn natürlich machen sich Kinder durch ihr Handeln schuldig, was ihnen als Erwachsene in der Regel auch bewusst wird. Auch Schladitz empfindet so. Die Tat der Kinder wurde vertuscht, um den Frieden im Dorf zu erhalten. Die Erwachsenen hätten die Wahrheit sagen müssen, auch um die Kinder von diesem Geheimnis zu entlasten und die Schuldfrage zu klären, denn die wissen zunächst nicht, was sie tun, und später müssen sie die Schuld allein tragen. Das ist schrecklich. Man kann es Schladitz also nicht verübeln, wenn er in diesem Moment, belastet durch dieses furchtbare Geheimnis, einen Alleingang versucht.

Wie war die Zusammenarbeit mit Lars Kraume?

Das war eine tolle Arbeit mit Lars, aber auch mit Jens Harant, dem Kameramann. Beide waren prima vorbereitet. Lars wusste genau, was er wollte, hat uns Schauspielern aber für eigene Gedanken und Vorstel­lungen genügend Raum gelassen. Wir haben gemeinsam die Figur sehr facettenreich entwickelt. Für mich war das eine sehr große Chance, denn so wie in dieser Folge hatte ich den Charakter noch nie zeigen können.

Und mit Axel Milberg ...?

Axel und ich kennen uns schon lange. Über Achtung und Wertschätzung hinaus ist über die Zeit ein offenes Arbeitsverhältnis gewachsen. Wir können uns jederzeit alles sagen, Kritik üben, gemeinsam über unsere Fehler lachen. Wir helfen uns gegenseitig, damit die gemein­samen Szenen auch gut werden. Da muss man oft genug eine Menge Arbeit reinstecken. Wie in der großen Szene in der dänischen Schule, in der fast alle zusammen sind. Es ist eine komplizierte Szene gewesen, bei der man sich sehr darauf konzentrieren musste, wie man sie umsetzt. Um das hinzubekommen, haben wir Schauspieler richtig intensiv mit Lars probiert – das kenne ich sonst nur noch vom Theater. Beim Film ist das kaum mehr möglich. Da hat Til Schweiger schon Recht: Um gute Filme zu machen, brauchen wir mehr Zeit und mehr Geld. Gerade in komplizierten Momenten kann Qualität nur ent­ stehen, wenn man ohne Druck verschiedene Dinge aus­ probieren kann. Die Vielschichtigkeit von Charakteren und Szenen lässt sich nur durch intensives Arbeiten und Probieren entwickeln und entfalten. Doch das macht einen Film spannend und interessant. Dafür sollte es sich lohnen, Zeit und Geld zu investieren.

« Tatort-Folge "Borowski und der brennende Mann"