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Tatort - Geburtstagskind - Delia Mayer (Liz Ritschard), Stefan Gubser (Reto Flücker) / © ORF/ARD/Daniel Winkler

Interview mit Winfred Tabarelli (Fachberater)
zur Tatort-Folge "Borowski und der freie Fall"
"Aus meiner Sicht geschickt gelöst"

Welche Funktion hatten Sie bei den Ermittlungen im Todesfall Barschel?

Ich war Leiter der Polizeidirektion Schleswig-Holstein Süd ich habe in meinem Verantwortungsbereich die
EG – für Ermittlungsgruppe – Genf eingerichtet. Sie bestand aus vier erfahrenen Kriminalbeamten und einer Kriminalbeamtin. Die Dienst- und Fachaufsicht für diese Ermittlungsgruppe wurde von mir unmittelbar ausgeübt. Dabei habe ich auch wichtige Dokumente eingesehen und mit den Mitarbeitern die kriminalistische Vorgehensweise erörtert. Es oblag auch meiner Entscheidung, In- und Auslandsdienstreisen zu genehmigen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich das Verfahren unmittelbar mit einer recht umfassenden Aktenkenntnis begleitet habe. Erforderliche Abstimmungsprozesse mit dem Leiter der Staatsanwaltschaft, Herrn Wille, verliefen stets problemlos.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Behörden etwa in der Schweiz?

Mit den Schweizer Behörden haben wir uns ausgetauscht. Es bestand eine sehr professionelle Zusammenarbeit. Nach der Übernahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft in Lübeck haben Kriminaltechniker meiner Behörde die Beweismittel in Genf gesichert, sie fach- und sachgerecht nach Deutschland transportiert und vor Ort noch einmal ausgewertet. Dabei sind weitere Ergebnisse erzielt worden.

Was hat es persönlich und beruflich für Sie bedeutet, die Ermittlungen im Fall Uwe Barschel zu leiten?

Jedem Todesermittlungsfall geht ein tragisches Ereignis, nämlich der Tod eines Menschen, voraus. Damit lernt man im Alltag der kriminalpolizeilichen Ermittlungen umzugehen. Ich kannte Herrn Barschel durch mehrere persönliche Begegnungen, die aber stets einen dienstlichen Charakter hatten. Ich war nie ein "unpolitischer Mensch", es gehörte aber zu meinen dienstlichen Grundsätzen, keiner politischen Partei beizutreten. Somit konnte ich ohne Ansehen der Person und ohne Berücksichtigung von parteipolitischen Interessen meine Aufgabe wahrnehmen.

Gab es im Laufe der Ermittlungen eine irgendwie geartete politische Einflussnahme?

Nein! Zu keinem Zeitpunkt. Ich habe allein in meiner Verantwortung als Behördenchef der Polizei über den Personaleinsatz und die Dauer der Ermittlungen entschieden. Die Einstellung des Verfahrens erfolgte durch den Generalstaatsanwalt in Schleswig. Daran habe ich förmlich nicht mitgewirkt, aber grundsätzlich entsprach diese Entscheidung auch meinen Vorstellungen.

Was halten Sie davon, den Fall Uwe Barschel als Hintergrund für eine fiktive Krimigeschichte zu nehmen?

Als ich zum ersten Mal davon hörte, habe ich mich gefragt, wie man das wohl zusammenfügen würde. Das ist ja nicht nur ein wirklicher Fall, sondern einer, bei dem viele Meinungen spekulativ im Raum stehen. Vom inhaltlichen her hat man das aus meiner Sicht geschickt gelöst, indem man den Todesfall Barschel nicht mit neuen fiktiven Beweisen in den Mittelpunkt gestellt hat, sondern ihn, wie es auch der aktuellen Ermittlungslage entspricht, offen lässt, was er im Augenblick nach wie vor ist. Es gibt keine konkreten und letztlich beweisbaren Indizien für einen Mord. Gleichermaßen kann man auch nicht mit letzter Sicherheit einen Selbstmord beweisen. Für beide Annahmen gibt es zurzeit keine Sach- oder Personalbeweise, die einwandfrei eine Theorie belegen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Borowski, der ja fiktiv Teil der EG Genf – also mein damaliger Mitarbeiter – war, das Verfahren Barschel im Detail kennen muss und dessen Komplexität auch verdeutlicht.

Bevor Sie als Berater bei "Borowski und der freie Fall" tätig wurden, waren Sie bereits bei dem 1977 ausgestrahlten Tatort "Reifezeugnis" als Berater dabei, der seinen Regisseur Wolfgang Petersen und die Hauptdarstellerin Nastassja Kinski zu Stars gemacht hat. Wie kam es dazu?

Ich war damals Kripo-Dienststellenleiter im Kreis Ost-Holstein, als ein Anruf des Innenministeriums kam:
Der NDR wolle in meinem Dienstbereich einen "Tatort" drehen. Man suche einen Fachberater und auch jemanden, der ihnen Material und Personal zur Verfügung stellt. In der Tat spielten dann in "Reifezeugnis" echte Schutzpolizisten und Kriminalbeamte mit. Die "Tatort"-Arbeit wurde von Spezialisten der Spurensicherung vorgenommen, die auch Dienstfahrzeuge nutzten und mit eigenem Spurensicherungsgerät arbeiteten. Natürlich hatte der NDR die Kosten dafür Übernommen. So habe ich etwa eine Woche mit dem Team in Malente, wo die Außenaufnahmen entstanden, zusammengearbeitet. Dort hatte ich sehr nette Begegnungen gehabt, insbesondere mit meinem "Kollegen" Klaus Schwarzkopf, der als Kommissar Finke quasi meine Rolle als Leiter
der Mordkommission in Kiel spielte. Er war ein angenehmer Mensch und sehr wissbegierig. Damals waren wir übrigens auch Location-Scouts. Der Produzent suchte noch eine schicke Villa. Einer meiner Mitarbeiter hatte gerade in einem Haus in Bosau, auf das die Beschreibung passte, einen Diebstahl aufgenommen. Wir vermittelten den Kontakt und so wurde es das Haus der Familie Wolf.

Seit 1977 hat sich sowohl in der Polizeiarbeit wie auch beim Fernsehen einiges verändert. Heute wird schon bei der Drehbucharbeit darauf geachtet, dass das Dargestellte möglichst authentisch ist. Hinzu kommt, dass Sie im Fall Barschel Experte sind. Wie war die Arbeit an "Borowski und der freie Fall"?

Die Zusammenarbeit ist einem Zufall zu verdanken. Ich bin Axel Milberg und dem Produzenten Holger Ellermann bei einer internen Polizeiveranstaltung begegnet. Aus diesem Gespräch ergab sich, dass man mich generell gerne als Fachberater hinzuziehen wolle, um sicherzustellen, dass die kriminalistischen Abläufe sauber dargestellt und die richtigen Begriffe verwendet werden. Das sollte auch meine Aufgabe bei diesem "Tatort" sein. Also habe ich das Drehbuch durchgearbeitet, meine Anmerkungen gemacht und diese mit dem Produzenten und dem Regisseur besprochen. Die von mir "kritisierten" kriminalistischen Elemente wurden dann auch entsprechend geändert. Auch in der Rohschnittphase konnte ich noch Anmerkungen machen.

Was sind denn Beispiele für Abläufe, die Sie korrigiert haben? Könnten Sie ein paar Beispiele nennen?

Zum Beispiel die Stellung des Bundesnachrichtendiensts, der hier ja auftaucht. Der BND kann keine Akte beschlagnahmen, um sie der Polizei vorzuenthalten, das ist rechtlich nicht haltbar. Also wurde die entsprechende Stelle geändert. Oder die Dienstreise in die Schweiz. Ein Mitarbeiter reist nicht in einer derartigen Ermittlungssache auf eigene Faust ins Ausland und alleine schon gar nicht. Der Grund: Beweismittel, die im Ausland gewonnen werden, müssen rechtsstaatlich erhoben werden.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie Ende Juli gelesen haben, dass im Fall Barschel neue, unbekannte DNA-Spuren aufgetaucht sind?

Das ist schon ein irrer Zufall. Aber nicht nur ich, auch Holger Ellermann hat sich seine Gedanken darüber gemacht. Wir haben das besprochen und meiner Ansicht nach können wir nach wie vor sagen: Die Geschichte des Todesfalles Barschel muss weder neu noch umgeschrieben werden. Kontaktspuren an den verschiedenen Kleidungsstücken sind ganz normal und können sogar hundertfach auftreten. Wer unter Menschen unterwegs ist, hat immer Kontaktspuren am Körper oder an der Kleidung. Dass man solche Spuren auch bei Barschel findet, hätte ich gleich sagen können. Barschel hätte die Spuren bereits aus Gran Canaria, von wo er nach Genf kam, mitbringen können. Oder sie stammen von einer Stewardess, dem Zollpersonal, und, und, und. Diese DNA-Spuren führen im Moment nicht zu weiteren Erkenntnissen in dem Todesfall Barschel.

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