Tatort FanpageInfos zu den Folgen, Ermittlern & Schauspielern uvm. der beliebtesten Kriminalreihe im TV

© ORF/ARD/Daniel Winkler
Interview mit Schauspieler Axel Milberg
zur Tatort-Folge "Borowski und der stille Gast" "Manchmal muss Borowski eben auf den Tisch hauen"
Ist es für einen Schauspieler ein Unterschied, in einem "Whodunit" zu spielen oder in einem Film, in dem
der Zuschauer den Täter von vornherein kennt? Schließlich nimmt der Täter bei dieser Erzählweise zeitlich und inhaltlich mehr Raum ein, wodurch das Stammpersonal einen Schritt zurück treten muss?
Der Zuschauer sieht dabei zu, wie sich Ermittler und Täter aufeinander zu bewegen. Wir haben mit Sascha Arango einen der besten Autoren Deutschlands, der jetzt seinen vierten Kiel-"Tatort" geschrieben hat, und alle vier sind offen erzählt. In "Das Mädchen im Moor" ist es sogar so, dass sich Borowski mit dem Täter angefreundet hat und sie herzlich über den Zufall lachen, beide Klaus mit Vornamen zu heißen. Wenn der Täter eine charismatische Figur ist, brillant, intelligent, überraschend, pervers, unergründlich und gefährlich, dann wollen wir als Zuschauer viel von ihm erleben, ihn vielleicht auch ein wenig verstehen, erfahren, was ihn umtreibt, seinen Alltag kennen oder seine Einsamkeit.
In einer Reihe müssen Folge für Folge originelle Szenen für den Hauptdarsteller gefunden werden. Gehört
es zum Vorteil des offenen Erzählens, dass der Hauptdarsteller dann und wann "entlastet" werden kann, weil man eine andere Person in den Mittelpunkt stellen kann?
Borowski ist ja nicht das Thema. Wir wollen spannende Geschichten erzählen. Nur, wenn eine Szene interessant ist, sind es – zumindest für länger – auch die Schauspieler. Selbst Cary Grant, ein Mensch in einem Anzug mit einer bestimmten Körperhaltung und -bewegung, würde schnell verblassen, wenn er nicht tanzen oder sich bewähren muss oder man ihn nicht albern sein oder vor einem tief fliegenden Flugzeug weg rennen lässt oder er auf Katherine Hepburn trifft.
Wie groß ist ihr Einfluss auf die Gestaltung der Figur Borowski und der verschiedenen Fälle?
Film ist ja Gemeinschaftsarbeit. Das Team umfasst 35 Leute und im Vorfeld sind bestimmt auch noch mal sechs, sieben, acht Leute an der Vorbereitung beteiligt. Da kommen viele Einflüsse zusammen. Ich gucke, dass die Autoren und Regisseure gut sind. Manchmal habe ich den Eindruck, das Massenpublikum möchte gerne Geschichten, die aus bekannten Bausteinen zusammengezimmert sind, und steht Innovationen kritisch gegenüber – Stichwort: Hamburger "Tatort". Was dort an Erneuerungen, Tempo, Ästhetik und physischem Einsatz riskiert wurde, fand ich toll.
Mit diesem "Tatort" scheint Sarah Brandt endgültig angekommen zu sein. Da entdeckt Borowski ihr medizinisches Problem. Wie stark belastet das die Sympathien, die Borowski inzwischen für sie entwickelt hat?
Die Beziehung zwischen den beiden ist nicht nur auf Sympathie gegründet. Sie teilen gegenüber der Behörde und dem Vorgesetzten ein Geheimnis. Dadurch entsteht Spannung und auch Nähe. Borowski wird immer wieder zu Sarah Brandt sagen, dass sie die Polizei verlassen soll. Sie kann kein Auto, keine Waffe führen. Sie kann nicht in Stresssituation stehen und arbeiten, und doch wird sie immer wieder versuchen zu beweisen, dass es wunderbar geht.
Es bleibt für Borowski auch immer die Unsicherheit, dass etwas schief gehen könnte, sein Leben gefährdet ist ...
Absolut. Aber es gibt Millionen Epilepsie-Patienten in Deutschland, von denen viele auch Auto fahren – was übrigens funktioniert, wenn man richtig eingestellt ist.
Dem Einzelgänger Borowski wird in diesem "Tatort" sehr viel zugemutet: Er muss sich um seinen Chef und Freund Roland kümmern; dadurch, dass er von Sarah Brandts Epilepsie erfährt, bekommt er sie als Mündel; und dann nimmt er noch den kleinen Jungen unter seine Fittiche. Sehen Sie sich bald als altersmilden Borowski?
Oh yeah! Altersmilde ist lustig. Es wird ihm in der Tat zu viel zugemutet und ich glaube, es ist mal wieder an der Zeit, dass er sich wehrt – und zwar erfolgreich. Zur Not muss Borowski dafür eben auf den Tisch hauen.
Zumindest was seinen Freund Roland Schladitz angeht, dürfte Borowski das nicht so leicht fallen. Obwohl Borowski Schladitz für seine Dämlichkeit ausschimpft, lässt er es letztendlich darauf beruhen.
Das war von Sascha Arango so gewünscht, um eine gestresste Männerfreundschaft zu zeigen. Borowski findet es o. k., wenn Roland Schladitz mal ein paar Tage bei ihm unterkriecht, aber wenn er ewig bleibt und sich einnistet, man kennt das ja, ist ihm das zu viel. Er braucht sein Rückzugsgebiet.
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie im Drehbuch gelesen haben, dass Borowski seinen "Braunen", sein Auto, nicht nur verliert, sondern es auch noch erschießt?
Nun, das war mir schon angekündigt worden und ich war einverstanden. Ich finde es generell in Ordnung, dass es eine Erneuerung von Borowskis Requisiten gibt. Damit meine ich Dinge wie Handy, Auto, vielleicht sogar, wie er sich kleidet. In Bezug auf das Auto kam uns gleich der Gedanke, dass er dann den roten Volvo seines getöteten schwedischen Kollegen übernehmen müsste. Im Übrigen hat sich der Braune gewehrt, als ich auf ihn geschossen habe. In der Pistole waren Zündpatronen. Beim Schuss ist ein winziger Partikel der Patrone nach hinten in mein Auge geflogen, was zu einem kurzen, stechenden Schmerz führte. Das Weiße in dem Auge war eine Woche lang blutrot. Ich war schnell in der Augenklinik, glücklicherweise war nichts eingerissen.
Wie war, nach "Der coole Hund", die zweite Zusammenarbeit mit Christian Alvart?
Ich bin sehr begeistert von Christian Alvart. Im Vorfeld knuspert und knabbert er sehr perfektionistisch an dem Buch und macht Änderungen an Dingen, bei denen sogar ich sage, das ist doch wunderbar, da muss man nicht mehr dran rühren. Ich vertraue ihm zu 100 Prozent und zwar in jeder Phase eines Films. Was ich so an ihm mag ist, dass er in gewisser Weise unbescheiden ist. Er will großes Kino machen. Da kracht und knallt es und explodiert. Wir haben zum Beispiel mit einem Octocopter gedreht, einem unbemannten Flugobjekt mit acht Rotoren, das eine Kamera tragen kann. Am selben Tag mit Helikopter. Das geht an die Grenzen von Geld, Zeit und Belastbarkeit – aber so ein Dreh ist auch ein großes Vergnügen. Man wartet keine Sekunde und es ist immer was los.
(Text: Presse und Information)