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Tatort - Geburtstagskind - Delia Mayer (Liz Ritschard), Stefan Gubser (Reto Flücker) / © ORF/ARD/Daniel Winkler

Interview mit Regisseur Özgür Yıldırım
zur Tatort-Folge "Feuerteufel"
"Das ist wie beim Sport: Es kommt darauf an, ein gutes Team zu haben."

Sie legen nach zwei erfolgreichen Kinoproduktionen nun Ihren ersten Fernsehfilm vor. Macht es einen großen Unterschied für Sie, ob Sie fürs Fernsehen oder fürs Kino drehen?

Kino bedeutet natürlich, dass man insgesamt mehr Zeit hat und ein größeres Budget, aber das heißt nicht, dass im Kino unbedingt bessere Filme entstehen als im Fernsehen. Was mich interessiert, sind Geschichten. Geschichten, mit denen ich etwas anfangen kann, die in irgendeiner Weise meine Ansicht und meine Haltung widerspiegeln. Und solange das so ist, ist es für mich eher sekundär, ob ich fürs Fernsehen oder fürs Kino drehe. Ich habe Christian Granderath nach meinem ersten Film "Chiko" kennengelernt. Damals war er noch Produzent, und wir hatten seit dieser Zeit den Wunsch, irgendwann mal zusammenzuarbeiten. Das hat sich eben jetzt, mit diesem Film, ergeben, was mich sehr freut. Es war super reizvoll für mich, eine ganz neue Kommissarsfigur mitzuentwickeln und die erste Episode zu drehen.

Wer einen "Tatort" dreht, dem ist öffentliche Aufmerksamkeit gewiss, erst recht, wenn ein neuer Ermittler eingeführt wird. Konnten Sie unbefangen an die Arbeit gehen oder haben Sie einen großen Erfolgsdruck gespürt?

Der Druck ist immer da. Aber oft ist er auch positiv; ich versuche zumindest immer, ihn für mich positiv umzumünzen. So war es auch bei dieser Produktion. Der "Tatort" ist eins der angesehensten und beliebtesten Formate im deutschen Fernsehen. Da ist es schon gut und wichtig, dass man sich selbst unter einen kreativen Druck setzt. Einen neuen Ermittler einzuführen, ist ja eine große Chance, und da ich aus diesem Genre komme und überdies sehr früh in die Entwicklung eingebunden wurde, war es für mich wichtig, auch damit zu spielen und den Anspruch zu haben, keinen Nullachtfünfzehn-Krimi abzuliefern.

Wie sah dieses Spiel denn aus? Worin unterscheidet sich Ihr Film von herkömmlichen Krimis?

Zum Beispiel in der Erzählstruktur. Eine Besonderheit liegt darin, dass man von Anfang an weiß oder scheinbar weiß, wer der Täter ist. Daraus entwickeln sich drei verschiedene Erzählstränge, die dem Ganzen zwar nicht unbedingt eine Episodenstruktur geben, aber etwas von einem Ensemblefilm. Es gibt verschiedene Welten, Figuren aus unterschiedlichen Milieus, die an irgendeinem Punkt aufeinandertreffen: den Witwer aus einer guten Wohngegend, den vermeintlichen Täter, der aus dem Ghetto kommt, und den Kommissar, der irgendwo auf St. Pauli wohnt, also eher für das urbane Hamburg steht. Alle drei haben einen unterschiedlichen Background und alle drei werden parallel erzählt. Natürlich mit unterschiedlicher Gewichtung, aber es sind trotzdem Figuren, die wie in einem klassischen Ensemblefilmstil erzählt werden und nicht wie in einem herkömmlichen Krimi. Da ist es ja dagegen eher so, dass am Anfang ein Mord geschieht und die Aufklärung des Verbrechens im Vordergrund steht. Dieses Element findet sich natürlich auch in unserem "Tatort", aber es war uns wichtig, zu erzählen: Das ist ein Großstadtding.

Worin liegt für Sie das Besondere am Konzept dieses neuen NDR "Tatorts"?

Da ist zum einen die Dreierkonstellation. Thorsten Falke hat bislang mit seinem besten Freund ermittelt, der jetzt aber auf eine andere Position wechselt, und es kommt eine neue Figur ins Spiel, die junge Katharina Lorenz. Diese drei werden ab jetzt durchgehend dabei sein. Wir konnten die Figuren hier etablieren und in ihren Eckpunkten definieren. Dabei ist zu sehen, wo die Unterschiede und die Überschneidungen liegen. Die Konstellation ist außerordentlich reizvoll und enthält viele Reibungspunkte, die viel Stoff für das künftige Weitererzählen liefern. Zum anderen finde ich es interessant, dass hier auch mal frische neue Gesichter zu sehen sind, die ihren Figuren Glaubwürdigkeit verleihen und gleichzeitig gut zueinander passen.

Ihre bisherigen Filme handeln von klassischen Underdogs, das Milieu der HipHopper und Rapper spielt eine Rolle. Auch hier begegnen wir diesen Elementen wieder. Erzählen Sie gern von Dingen, die Sie kennen?

Ja, ich erzähle gern von Figuren, in denen ich meine Jugend wiedererkenne. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass der Junge im Film aus Billstedt kommt und der Kommissar ebenfalls ursprünglich aus Billstedt ist. Da ich die Locations dort gut kenne und zum Teil absolut spitze finde, haben wir entschieden, einzelne Szenen dort spielen zu lassen. Meiner Meinung nach kann man nur dann einen guten Film machen, wenn man wirklich einen Bezug zu der Geschichte findet und eine Vision hat.

Sie sind in Dulsberg aufgewachsen und dort selbst mit Drogen und Gewalt in Berührung gekommen. Aber Sie wussten schon früh, dass Sie mal Filme machen wollen. Was hat Ihnen das Selbstvertrauen gegeben, diesen Weg zu gehen?

Eigentlich nur meine Vorliebe, Filme zu gucken und zu schreiben und meine Versuche, meine Phantasien auch in die Tat umzusetzen. Das alles hat mir die Kraft und die Energie gegeben. Dass ich das konsequent und vielleicht auch mit einer Portion Naivität verfolgt habe, hat mir sicher geholfen.

Sie streben Authentizität an in der Schilderung der Umgangsformen unter den Billstedter Jugendlichen. Anders als in "Chiko" haben Sie aber auf Laien verzichtet. Warum?

Die Jungs, die hier spielen, kommen hauptsächlich aus der Schanze und lustigerweise sind sie auch miteinander befreundet. Mir war es nicht so wichtig, dass das Laien sind oder dass sie tatsächlich aus diesem Ghetto stammen. In Billsteht reden sie ja auch nicht so viel anders als in der Schanze. Es geht einfach darum, dass die Darsteller Echtheit versprühen; daraufhin hab ich sie gecastet. Und dann waren die Vorproben und die Zeit auf dem Set wichtig. Ich hab jede Szene, die ich gedreht habe, mit jedem Schauspieler vorher einmal geprobt. Wir sind die Texte durchgegangen, haben die Dialoge umgestellt etc. Wenn wir uns einmal einig sind, was wir wollen, gebe ich meinen Darstellern viel Freiheit und sie sind dankbar dafür. Dadurch haben wir viel Spaß gehabt beim Dreh.

Wie sah Ihr visuelles Konzept aus? Welche Ästhetik wollten Sie Ihrem ersten deutschen Fernsehkrimi geben?

Ich arbeite immer mit dem gleichen Kameramann, das ist Matthias Bolliger. Mit dem hab ich studiert und seitdem sind wir ein glückliches Arbeitspaar. Wir haben unseren eigenen, wiedererkennbaren Stil, insbesondere was die Kameraführung betrifft, wichtig ist uns aber auch, dass wir von Film zu Film immer neu ansetzen. Natürlich gucken wir uns viele Filme an, Klassiker und dies und das, um uns daran zu orientieren. Meine Empfindung war hier immer, den Film in Richtung Neo-Noir zu bringen und ihn wie diese Filme speziell aus den 70er-, 80er-Jahren zu erzählen, vor allem was den Umgang mit Schatten und Licht und Zooms anging. Wir haben gesagt, das muss ein moderner Film noir sein, ein Großstadtfilm, und es muss heiß sein. Aber es war leider überhaupt nicht heiß, als wir gedreht haben, so dass wir das künstlich herstellen mussten mit Ventilatoren und Jalousien-Schatten und viel Licht von außen. Das ist schon künstlich, aber es war für mich wichtig, das so zu erzählen, damit man mehr Genre hat. Darüber hinaus haben wir natürlich versucht, die einzelnen Erzählstränge, diese drei Welten, stilistisch jeweils auch ein bisschen anders zu erzählen.

Neben Matthias Bolliger gehörten auch Cutter Sebastian Thümler und die Szenenbildnerin Iris Tescher schon häufiger zum Team. Liegt darin einer der Gründe für Ihren Erfolg, dass Sie ein eingespieltes Team sind?

Ja, Film ist Teamarbeit. Das ist wie beim Sport: Es kommt darauf an, ein gutes Team zu haben. Matthias und Sebastian sind Leute, die ich jetzt seit vielen Jahren kenne und mit denen ich gern diskutiere. Wir sind nicht immer einer Meinung, helfen uns aber gegenseitig, auf die richtige Lösung zu kommen, den richtigen Weg zu finden. Das ist immer ein interessanter, cooler, spannender Prozess mit denen und macht immer wieder von vorne Spaß.

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