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Tatort - Geburtstagskind - Delia Mayer (Liz Ritschard), Stefan Gubser (Reto Flücker) / © ORF/ARD/Daniel Winkler

Interview mit Schauspieler Dominic Raacke
zur Tatort-Folge "Mauerpark"

Herr Raacke, Sie und Ihr Kollege Boris Aljinovic feiern mit "Mauerpark" zehnjähriges Dienstjubiläum. Eine kurze oder eine lange Zeit?

Eine lange Zeit! Für mich sind es ja insgesamt schon zwölf Jahre, denn meine ersten sechs Berliner "Tatorte" habe ich 1999/2000 gedreht, damals noch mit Stefan Jürgens. Zehn Jahre, das ist in dieser Branche eine Ewigkeit. Es hat sich ja vieles getan, die Welt hat sich verändert, mein Leben, meine Haarfarbe, bei uns allen ist viel passiert. Das ist vielleicht auch der Erfolg des "Tatorts", er verändert sich über die Jahre. Einzig der legendäre Vorspann ist geblieben.

Welche Erinnerungen haben Sie sich an Ihren ersten gemeinsamen Drehtag am "Tatort"-Set? Ihr erster Fall mit dem neuen Kollegen Boris Aljinovic war "Berliner Bärchen"...

Es war ein Fernsehteam gleich am ersten Drehtag dabei, das ein Porträt über mich gemacht hat. Mir war damals gar nicht bewusst, dass Boris sich dabei vielleicht ein bisschen komisch vorkam. Immerhin war es sein erster Auftritt im "Tatort" überhaupt. Und Kollege Raacke wird gleich mal auf Schritt und Tritt gefilmt. Aber da musste er durch. Ansonsten gab es ein paar wirklich gute Szenen für uns. Es ging ja darum, den neuen Mann am "Tatort" einzuführen. Es gab die berühmte Einparkszene: Stark schnappt Ritter den letzten freien Parkplatz weg. Ritter plustert sich auf, schimpft und flucht. Stark bleibt gelassen, kettet kurzerhand den verdutzen Ritter mit Handschellen am Dachgepäckträger fest und betritt grinsend das Präsidium. Später sehen wir Ritter, wie er mit dem Gepäckträger am Handgelenk schlechtgelaunt durchs Präsidium stiefelt und vom Chef dem neuen Kollegen vorgestellt wird: "Ach, Sie kennen sich schon ...?". Die Szene ist ein Klassiker. Ach ja, und ich durfte den "James Dean"-Porsche fahren! Auch das hat Freude gemacht.

War der erste zugleich der härteste Drehtag? Oder können Sie sich da an ganz andere Tage erinnern?

Also die härtesten, weil kältesten Dreharbeiten überhaupt, waren die zu "Mauerpark". Heiko Schier hatte sich ja ein kaltes, verschneites Berlin gewünscht, er hatte sogar das Bild eines Langläufers ins Drehbuch geschrieben, der einen Kasten Bier hinter sich her zieht. Ein wirklich schönes, poetisches Bild, dass aber nie gedreht wurde, denn der Schnee blieb aus. Es war einfach zu kalt. Temperaturen von elf Grad minus waren keine Seltenheit. Im Film sieht es gar nicht so aus, aber es war grauenhaft. Da fragt man sich manchmal: Was mach ich hier eigentlich?!

Der Berliner "Tatort" legt Wert darauf, die Stadt und ihre Schauplätze einzubinden. Welcher Drehort ist Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?

Es ist natürlich schön, eine Stadt wie Berlin als Drehort zu haben. Sie ist einfach voller Bilder und Stimmungen. Sie ist widersprüchlich und hat die nötige Härte und "Kaputtheit" für das Krimi-Genre. Berlin ist groß, hier leben Menschen aus aller Welt, alles ist möglich. In der Folge "Filmriss" gab es Szenen, die am Potsdamer Platz spielen. Glas und Licht, Tiefgarage, Aufzüge, nächtliche Autofahrten, das war sexy und großstädtisch. Aber auch triste Schauplätze wie in "Der vierte Mann", das arme Berlin, die 60er Jahre Sozialbauarchitektur, die Brandmauern, diese Lücken im Stadtbild, sind auf ihre Weise sehnsuchtsvoll. "Oben und Unten" spielte in den U-Bahn-Schächten und den Katakomben der Großstadt. Das sind schon wahnsinnige Orte, das sieht man nicht alle Tage.

Worüber können Sie noch heute schmunzeln?

Bei meinem ersten Auftritt als "Tatort"-Kommissar hatte ich plötzlich eine dicke Backe, ein Backenzahn war entzündet und ich musste in der Mittagspause eine Zahnärztin aufsuchen, die mir eine Spritze gab. Die Szene spielte an der S-Bahn Friedrichstrasse und wenn man genau hinguckt kann man sehen, dass die Backe angeschwollen war und ich erkenne sogar noch das Fenster der Zahnarztpraxis im Hintergrund.

Und manchmal machen wir auch einfach Quatsch. Anstatt der üblichen Vorstellung, "Guten Tag, mein Name ist Ritter, das ist mein Kollege Stark, wir sind von der Kriminalpolizei", kommt schon mal so was wie "Guten Tag, wir sind vom Deutschen Wetterdienst, mein Name ist Hoch, das ist mein Kollege Tief" zustande. Oder so Reimspielchen, statt "Ritter und Stark", "Titten und Quark" oder "Bitter und Arg" – alles völlig sinnfrei, aber das muss manchmal sein.

Wie hat sich "Ihr" Kommissar Till Ritter während eines Jahrzehnts verändert? Die Cowboystiefel haben Sie abgestreift, wie wir sehen...

Ich habe nicht so den Überblick über andere Kommissare, aber Ritter hat sich schon extrem verändert in den Jahren. Diese prollige Extravaganz, seine modischen Entgleisungen sind ihm abhanden gekommen, die Undiszipliniertheit, das Tölpelhafte. Er trinkt nicht mehr und er hat mit dem Rauchen aufgehört. Wahnsinn, in jeder zweiten Szene eine Kippe im Mund, das wäre heute völlig unmöglich. Das ist dem Zeitgeist geschuldet, der Redaktion, den verschiedenen Blickwinkeln, die Regisseure auf eine Figur haben und nicht zuletzt auch mir, der sich verändern ließ und sich verändern wollte.

Mit "Mauerpark" wird auch eine Ost-West-Geschichte erzählt. Die deutsch-deutsche Vergangenheit ist in diesem Jahr sehr gegenwärtig, der Baubeginn der Berliner Mauer jährte sich am 13. August 2011 zum 50. Mal. Ritter und Stark gingen erst nach der Wende gemeinsam an den Start, aber wie haben Sie persönlich das geteilte Berlin erlebt?

Wenn ich früher in Berlin gearbeitet habe, drehte ich oft meine Laufrunden im Tiergarten. Mein kleines Pausenritual war es, auf die Aussichtsplattform am Brandenburger Tor zu steigen und rüber zu gucken. Die Mauer, Stacheldraht, die Vopos, die Fernglasgucker, Graffiti und zerschlagene Bierflaschen, das war ganz selbstverständlich, das gehörte alles zu meinem Berlin-Bild dazu. Dass da heute Touristen flanieren, die Velotaxis auf Kundschaft warten, die Leute quasi auf dem Todesstreifen ihren Kaffee trinken, das ist rückblickend gedacht schon unglaublich.

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