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Tatort - Geburtstagskind - Delia Mayer (Liz Ritschard), Stefan Gubser (Reto Flücker) / © ORF/ARD/Daniel Winkler

Interview mit Drehbuchautor und Regisseur Heiko Schier
zur Tatort-Folge "Mauerpark"

Herr Schier, "Mauerpark" zeigt in Rückblenden das Berlin der 80er Jahre. Wie kamen Sie auf die Idee, den Zeitgeist des Jahrzehnts in einem "Tatort" wieder aufleben zu lassen?

Berlin ist ja mehr Idee als Stadt. Es hat eine rühmliche und eine unrühmliche Vergangenheit, aber geprägt wird Berlin von den Sehnsüchten seiner Bewohner, die seit Jahrhunderten in diese Stadt strömen, die nie fertig wird und sich immer neu erfindet. Deswegen ist und war Berlin so ein Mythos, weil es immer der Gegenwart zugewandt ist, immer heutig ist. Ich wollte ganz persönlich vom alten West-Berlin erzählen, von der Zeit, da eine Mauer die Stadt umschloss und die Eingeschlossenen auf einer düsteren Insel lebten.

Wie sind Sie auf den Stoff für "Mauerpark" gekommen?

Ich nähere mich einer Geschichte meist von zwei Seiten: Über die Topographie und die Charaktere. Auf dem Gelände, das wir heute "Mauerpark" nennen, habe ich 1989, vier Monate vor dem Mauerfall, den Film "Wedding" gedreht, und der hintere Teil am Gesundbrunnen hat sich kaum verändert. Mich haben dort immer die Verkehrsströme interessiert, die Züge und S-Bahnen, die Flugzeuge, die am Himmel kreuzen, diese wilde, ungeordnete Brache im Herzen der Stadt. Bald wird auch sie verschwunden sein, nächstes Jahr wird saniert und gestaltet. Und wer Berlin kennt, weiß was da droht.

Was die Geschichte betrifft, habe ich mich von den Charakteren Ina Kilian und Vogt leiten lassen, zwei Figuren, die das Schicksal für immer verbunden hat und die keine Erlösung finden, aneinander gekettet durch ein monströses Verbrechen.

Welche Erinnerungen verbinden Sie persönlich mit den 80ern? Was war in Ihren Augen das Besondere dieser Zeit?

Das Besondere an den Mauerzeiten der 80er aus westlicher Perspektive war der Druck, der plötzlich durch Punks und Hausbesetzer entstand und der aus der Halbstadt, dem eingemauerten Kessel, nicht entweichen konnte. "Gefühl und Härte" war ein geflügeltes Wort und das traf die Stimmung ganz gut. Nach Jahren der Agonie herrschte eine diffuse Wut und Lebenslust, die in der Malerei zu den "Jungen Wilden" führte und in der Musik zu "Fehlfarben" und "Ideal". Musik mit deutschen Texten, die unpeinlich waren. Und tanzbar.

Der "Dschungel", die berühmte In-Diskothek der 80er, wird im "Tatort: Mauerpark" wieder lebendig. Kennen Sie den "Dschungel" noch aus eigener Erfahrung oder haben Sie sich allein von dessen Mythos inspirieren lassen?

Der "Dschungel" war in den 80ern, was heute das "Berghain" ist. Die beste Musik mit dem besten Publikum der Stadt. Wenn man konnte, ging man jeden Abend hin. Man war süchtig nach der Musik, die sonst kaum zu hören war, nach dem kühlen Chic, den der Laden verströmte, man schaute auf die versammelte Jugend, auf die Fische im Aquarium, und versank in glückhafter Zeitlosigkeit. Viele Jahre später, als der "Dschungel" ums Überleben kämpfte, ein Kampf, den er verlor, wurden Mitgliedsmarken ausgegeben. Meine trägt die Jahreszahl 1990. Das Ende einer Epoche.

Mit "Mauerpark" feiert das Berliner Ermittlerduo Ritter und Stark zehnjähriges Dienstjubiläum. Für Sie ist der Film eine "Tatort"-Premiere. Was fasziniert Sie an der Krimireihe?

Faszinierend ist der "Tatort" für mich, wenn er mir den Freiraum gibt, Geschichten zu erzählen. Über die Stadt und ihre Geheimnisse. Über Verbrechen, die für Täter und Opfer ausweglos sind. Über Kommissare, die in Abgründe sehen und zweifeln. Am faszinierendsten ist der "Tatort", wenn er ist, was er sein sollte: ein Polizeifilm.

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